Praxistest Grafikrechner

HP 39g II

Eignung

Die NRW-Anforderungen werden nicht erfüllt, denn es scheint keine Möglichkeit zu geben, die Tangente an einen Funktionsgraphen zeichnen zu lassen. Möglich wird das erst durch das Aufspielen einer - nicht von HP entwickelten - Tangenten-App, mit der das dann gelingen soll. Letztlich ist das in meinen Augen aber auch unerheblich, denn das gesamte Bedienkonzept des HP 39g II ist so speziell (um es freundlich auszudrücken), dass ich das Gerät nicht im Unterricht würde einsetzen wollen, denn eine intuitive Bedienung gelingt so gut wie gar nicht. Wer sich davon allein nicht abschrecken lässt, dem sei gesagt, dass auch auf die Rechenergebnisse nicht unbedingt Verlass ist - Beispiele dazu finden sich am Ende dieser Seite.

Fazit: Der HP 39g II ist zwar einer der preiswerteren GTR der Mittelklasse, ist aber aufgrund seines sehr eigenwilligen Bedienkonzepts und mangelnder Verlässlichkeit bei Berechnungen für den Einsatz im Unterricht nicht geeignet.

Hardware

Abmessungen: 91 x 186 mm
Display: 69 x 42 mm (256 x 128 px)
Gewicht: 266 g (mit Batterien)
Stromversorgung: 4x AAA (Akkus möglich)

Der HP 39g II besitzt ein in seiner Preisklasse konkurrenzlos hoch auflösendes Display. Allerdings empfinde ich die Ablesequalität insgesamt als weniger gut, weil das Display spiegelt und auch die größere der beiden einstellbaren Schriftgrößen nicht besonders groß ist. Die Tasten haben einen angenehmen Druckpunkt, die Beschriftung ist teilweise jedoch zu klein geraten, was u.a. daran liegt, dass sich die Dreifachbeschriftung komplett auf den Tasten befindet.

Zubehör

Wie allgemein üblich wird der HP 39g II ohne gedrucktes Handbuch geliefert, lediglich eine 70-seitige "Kurzübersicht" in deutscher Sprache liegt bei. Eine mitgelieferte CD-ROM enthält ein 360 Seiten starkes Handbuch (PDF). Außerdem gibt es noch eine CD-ROM mit einer Windows-Software, über die sich der GTR mittels USB-Kabel mit dem PC verbinden lässt. Zum Lieferumfang gehören weiterhin je ein Rechner-Rechner-Kabel und ein Rechner-PC-Kabel.

Schlecht: Zwar lässt sich die Bediensprache des GTR auf "deutsch" einstellen, was sehr angenehm ist, allerdings gab es zum Zeitpunkt des Tests (noch) kein deutsches Handbuch! Auf der CD-ROM befindet sich nur eine englische und eine chinesische Fassung; auch im Internet wird man nicht fündig. Da das englischsprachige Handbuch sich natürlich auf die Bediensprache Englisch bezieht, kann man mit dem englischen Handbuch noch weniger anfangen, es sei denn man stellt den GTR von "Deutsch" auf "Englisch" um ...

Zwar nicht mitgeliefert, aber auf der Website von HP kostenlos verfügbar ist ein Emulator des HP 39g II für den Windows-PC (läuft auch mit wine unter Linux), der hinsichtlich Bedienung und Darstellung dem echten GTR 1:1 entspricht (siehe Abbildung) und somit gut geeignet ist, um sich vom Bedienkonzept selbst zu überzeugen. Unterschiede zwischen GTR und Emulator gibt es allerdings bei den Ergebnissen - Einzelheiten folgen unten.

Bedienkonzept

Kurz gesagt: Eigenwillig und nervig! Wenn man sich lange genug mit dem Gerät und dem Handbuch beschäftigt, lässt sich nach und nach zwar Vieles umsetzen, was man erreichen möchte, aber die Betonung liegt eben auf "lange". Intuitiv gelingt wenig, sehr wenig. Schon der Einsatz als einfacher Taschenrechner ist ungewohnt, wenn man WTR von TI, Casio oder Sharp gewohnt ist. So gibt es z.B. eine Taste [a b/c], von der man vermuten könnte, dass sie der Eingabe von Brüchen dient, aber dem ist nicht so. Vielmehr bewirkt sie die Umwandung von Dezimalbruch- und Bruchdarstellung. Eine Taste für die Eingabe von Brüchen gibt es überhaupt nicht - Brüche müssen als Division eingegeben werden.

Ebenfalls ungewohnt: Statt "Eingabe oben, Ergebnis erscheint darunter", hat der HP 39g II eine separate Eingabezeile am unteren Rand des Displays. Alle Eingaben erfolgen in dieser Eingabezeile. Die Möglichkeit zur "natürlichen Darstellung" beschränkt sich auf die Darstellung nach der Eingabe - für die Eingabezeile selbst gibt es eine solche nicht. Eingabemasken für Brüche oder Argumente von Funktionen gibt es ebenfalls nicht.

Die Bedienung des Funktionenplotters, der im Unterricht zu den am häufigsten benötigten Anwendungen neben dem Rechenmodus gehören dürfte, gelingt ebenfalls nur mit Handbuch und ist so umständlich, dass man wenig Freude daran hat. Vergleichbares gilt auch für den Umgang mit Matrizen einschließlich deren Anwendung zur Lösung von LGS.

Details

Abgesehen vom schwachen Bedienkonzept zeigt der HP 39g II auch Schwächen, was seine rechnerischen Fähigkeiten angeht. Interessanter Weise funktioniert der von HP kostenlos angebotene Emulator für den PC deutlich besser - bei den Beispielen 2 und 3 liefert der Emulator korrekte Ergebnisse. Ob dies auch für den GTR gilt, nachdem die neueste Firmware aufgespielt wurde, konnte ich leider nicht testen.

Beispiel 1: Die Abbildung zeigt den Graphen zum Term , für den das Integral im Intervall [-4,8; 2,5] schattiert und der Wert berechnet wurde.
Über die Tastenfolge [F6] [F4] [Nullstelle] lassen sich die Nullstellen der Funktion numerisch approximieren. Tut man dies, dann hängt das Ergebnis u.a. davon ab, in der Nähe welcher potentiellen Nullstelle sich der Trace-Cursor gerade befindet. Um eine weitere Nullstelle zu finden, muss man ihn nahe genug an eine solche heran bewegen und erneut [F6][F4][Nullstelle] auswählen. Das können andere GTR besser! Aber damit nicht genug: Obwohl die Funktion in Wahrheit nur eine einzige Nullstelle bei x ≈ -4,80 hat, liefert der HP 39g II eine zweite Nullstelle bei x ≈ 2,40.

Beispiel 2: Der Versuch, das Integral zu berechnen, endet nach einigen Sekunden Rechenzeit mit der Fehlermeldung "ER: Syntaxfehler", wobei "ER" offenbar für "Error" steht, da es jeder Fehlermeldung vorangestellt ist. Ganz schwache Vorstellung! Hier liegt definitiv kein Syntaxfehler vor, sondern der implementierte Algorithmus versagt. Ändert man den Term "|x²-4|" zu "|x²+4|" klappt es plötzlich mit der Berechnung.
In der Tat ist die numerische Approximation im konkreten Fall eine harte Nuss für einen Taschenrechner, aber die GTR von Casio, Sharp und Ti schaffen das, wenn auch mit je nach Modell bis zu 10 Sekunden Rechenzeit. Sogar der WTR Casio FX-991 ES kommt damit zurecht, braucht aber rund 50 Sekunden für die Berechnung.

Beispiel 3: Die Abbildung zum "Bedienkonzept" zeigt die Berechnung des Terms mit Ergebnis. Das allerdings ist falsch! Was ist passiert? - Standardmäßig liefert der HP 39g II das Ergebnis als Dezimalbruch, der dann manuell via [a b/c]-Taste in einen Bruch umgewandelt werden kann. Offenbar wird dabei aber intern zu ungenau gearbeitet, so dass an Stelle des korrekten Werts 8/7 der Wert 7373271897/6451612910 ausgegeben wird (siehe Abbildung oben).