Der Sharp EL-9650 macht beim Blick auf die Tastatur und bei ihrer Bedienung nicht unbedingt den Eindruck einer hochwertigen Verarbeitung. Außerdem wirkt die Tastatur ziemlich unübersichtlich und überladen - ein Problem, das bei vielen WTR von Sharp ebenfalls zu beobachten ist. Das Display ist jedoch hinsichtlich Auflösung und Ablesbarkeit in Ordnung.
Anmerkung (2013): Der EL-9650 ist der älteste GTR, der die Anforderungen "NRW 2014" erfüllt. Allerdings wurde er im Jahr 2007 ohne Nachfolger vom Markt genommen, so dass Sharp aktuell mit dem EL-9900G SII nur noch einen GTR im Angebot hat. Das Konzept der Stiftbedienung findet sich derzeit nur noch bei den Modellen von Casios Classpad-Reihe, die mit dem Classpad 300 im Jahr 2003 startete.
Beim Bedienkonzept hat sich Sharp an Innovativem versucht: Einige Funktionen sind nicht nur über die Tastatur zu erreichen, sondern können alternativ mit einem Stift über das Display eingegeben werden. Bei konsequenter Umsetzung dieses Konzepts wäre das vielleicht wirklich eine gewinnbringende Neuerung - beim EL-9650 ist die Stiftbedienung aber nur sehr halbherzig umgesetzt und darum kein Pluspunkt für diesen Rechner. Im Hinblick auf den Einsatz in der Schule müsste eine Stiftbedienung schon so erhebliche Vorteile bringen, dass das Problem verloren gegangener Stifte demgegenüber zurücktritt. Ein echter Gewinn wäre die Stiftbedienung z.B., wenn man damit einen beliebigen Punkt eines gezeichneten Funktionsgraphen anwählen und durch Verschieben mit dem Stift eine dynamische Veränderung des Graphen unter gleichzeitiger Einblendung der jeweiligen Funktionsgleichung erreichen könnte.
Abgesehen vom Stift ist das Bedienkonzept eine Mischung aus direkter Tastatureingabe und einer damit verbundenen Menüstruktur, aus der über die Cursor-Tasten die gewünschte Funktion ausgewählt wird. Dieses Konzept ist zwar ähnlich dem der GTR von TI und Casio, bleibt aber im Hinblick auf die intuitive Bedienbarkeit hinter der Konkurrenz zurück. Unerwartete Fehlermeldungen sind häufig, das Handbuch muss ebenso häufig zu Rate gezogen werden.
Im normalen Rechenmodus ist der EL-9650 ein echter Hingucker: Brüche, Potenzen u.ä. werden so dargestellt, wie man sie auf dem Papier schreibt! Vermutlich haben wir uns längst daran gewöhnt, dass Bruchzahlen auf Taschenrechnern mit komischen Häkchen oder einem "/" zwischen Zähler und Nenner dargestellt werden, für gemischte Zahlen gilt Entsprechendes. Das große Display der GTR eröffnet hier neue Möglichkeiten und Sharp hat sie genutzt! Noch verbesserungsbedürftig ist die Eingabe der Brüche, obwohl sie wie gewohnt über eine Bruchrechentaste erfolgt: Möchte man beispielsweise 1/8 + 2/3 berechnen, und gibt entsprechend [1][a/b][8] [+] [2][a/b][3] ein, dann wird stattdessen 1/(8+2/3) berechnet. Da man das auch auf dem Display angezeigt bekommt, ist es nicht weiter schlimm, allerdings lästig. Um die richtige Rechnung auszuführen, muss man nach der Eingabe von 1/8 mit den Cursortaste den Eingabecursor rechts hinter den Bruch setzen und dann mit der Eingabe fortfahren. Gemischte Zahlen können nur als Summe des ganzzahligen Teils und des gebrochenen Teils eingegeben werden - das dauert zwar etwas länger als mit einer entsprechenden Taste, leistet andererseits aber sicher einen guten Beitrag zum Verständnis von gemischten Zahlen.
Schlecht gelöst ist allerdings die Möglichkeit, bei der Anzeige von Ergebnisse von Bruchrechnungen zwischen gemischter Zahl und unechtem Bruch zu wechseln oder ein Ergebnis als Dezimalbruch darzustellen. Dafür gibt es keine Taste, sondern man muss jedesmal über das Setup-Menü die Grundeinstellung für die Ausgabe von numerischen Ergebnissen ändern, die dann so lange erhalten bleibt, bis man sie - für alle Ausgaben - wieder ändert.
Positiv zu vermerken ist die Möglichkeit des "Multi-Line-Playback", die in gleicher Weise realisiert ist wie beim TI-82 Stats (Bewertung siehe dort).
Der Funktionenplotter ist von ordentlicher Qualität. Bei der graphisch-numerischen Berechnung lassen sich - anders als bei den Modellen von TI und Casio - auch die Wendepunkte bestimmen. Über das Calc-Menü lässt sich die Stelle eines Punktes manuell eingeben, der dann angesprungen wird. Dieser Punkt kann zwar nicht als Ausgangspunkt für weitere Trace-Operationen verwendet werden, aber als Berührpunkt einer zu zeichnenden Tangente. Somit lassen sich mit dem EL-9650 auch Wendetangenten zeichnen, deren Gleichung einfach zu bestimmen ist, wenn man zusätzlich zum Berührpunkt den Wert der 1. Ableitung im Berührpunkt einblenden lässt.
Ein Highlight des EL-9650 ist die Möglichkeit, aus einem Sortiment typischer Grundtypen von Funktionen auszuwählen und diese mittels Cursor-Tasten oder Stift schrittweise (ganzzahlige Stufen) zu verändern und sich auf Wunsch die jeweilige Funktionsgleichung einblenden zu lassen. Das ist zwar noch von der o.g. dynamischen Veränderung eines Graphen entfernt, aber schon ein großer Schritt in diese Richtung. Schüler haben hier die Möglichkeit den Zusammenhang zwischen Graph und Funktionsterm an zahlreichen Beispielen gezeigt zu bekommen und selbst damit zu experimentieren. Leider müssen in diesem Modus aber Graph und Funktionsterm gleichzeitig angezeigt werden, so dass beides sehr klein wird und der Verlauf des Graphen manchmal kaum noch erkennbar ist. Schade.
Das Lösen von Gleichungen - sowohl LGS als auch quadratische und kubische Gleichungen - ist mit dem EL-9650 einfach und problemlos möglich. Gleichungen höheren Grades können darüber hinaus graphisch-numerisch gelöst werden, wenn man die Gleichung entsprechend umstellt und als Nullstellenproblem auffasst.
Über die statistischen Funktionen hinaus bietet der EL-9650 Möglichkeiten zur Berechnung zahlreicher stochastischer Verteilungen und Tests.
Eine weitere Besonderheit ist eine eingebaute Slide-Show ("Dia-Schau"): Eine Abfolge von Graphen kann gespeichert und dann zum Zwecke der Demonstration wieder aufgerufen werden. Außerdem verfügt der EL-9650 über zahlreiche finanzmathematische Funktionen, die in der Schule aber wohl keine Rolle spielen dürften.