Praxistest Grafikrechner

Casio fx-9860 G III

Betriebssystem: 3.30

Eignung

Die NRW-Anforderungen werden erfüllt, und der fx-9860 G III ist nach vergleichsweise kurzer Einarbeitungszeit vielfach intuitiv bedienbar. Im Rechenmodus verhält er sich so, wie man es von aktuellen WTR (speziell den Casio-Modellen) gewöhnt ist. Auch die Anwendung als Funktionenplotter mit ergänzenden Berechnungen und Darstellungen gelingt weitgehend intuitiv und erfordert keine lange Einarbeitungszeit.

Fazit: Der fx-9860 G III setzt im Hinblick auf die intuitive Bedienbarkeit hohe Maßstäbe und gehört darum zu den derzeit geeignetsten GTR für den schulischen Einsatz. Das monochrome Display (inmitten der farbigen Konkurrenz) tut dem keinen Abbruch.

Hardware

Abmessungen: 90 x 176 mm
Display: 63 x 37 mm (128 x 64 px)
Gewicht: 240 g (mit Batterien)
Stromversorgung: 4x AAA (Akkus möglich)
Besonderheiten: PC-Verbindung als USB-Massenspeicher; Python-Programmierung

Der fx-9860 G III liegt gut in der Hand und macht den Eindruck anständiger Verarbeitung. Im Vergleich zum direkten Vorgänger, dem fx-9860 G II, ist er leichter und kleiner geworden; auch das Display wurde kleiner bei gleicher Auflösung. Dadurch ist die Darstellung geringfügig kleiner bei etwas höherer Pixeldichte, was aber nur im direkten Vergleich auffällt. Die Ablesequalität des monochromen Displays ist nach wie vor gut.

Der Tastendruck ist weicher als bei der Konkurrenz, aber durchaus angenehm, gegenüber dem Vorgänger ist das Layout insgesamt geradliniger geworden – eine entsprechende Entwicklung ist auch bei anderen GTR-Modellen aus dem Hause Casio gegenüber dem jeweiligen Vorgänger festzustellen. Geändert hat man jetzt auch bei diesem Modell die Beschriftung der Taste [F↔D] zum bei allen anderen Modellen üblichen [S↔D] für die Umschalttaste zwischen Dezimal- und Bruchdarstellung.
Auf die (überflüssige und allenfalls Batterie fressende) Hintergrundbeleuchtung des Vorgängers hat man nun verzichtet. Eine Modellvariante mit zusätzlichem SD-Kartenslot (wie beim fx-9860 GII SD) gibt es nicht mehr. Da der fx-9860 in der „G III“-Version wie seine großen Brüder nun auch als USB-Massenspeicher erkannt wird, vermisst man die Möglichkeit des Datenaustauschs via SD-Karte nicht. Zusätzlicher Speicher wird in der Regel ohnehin nicht benötigt.

Ärgerlich ist, dass die Screenshots des GTR-Displays, die man über [Capture] erstellen und via Kabel auf den PC übertragen kann, um sie z.B. in Anleitungen und Aufgaben einzusetzen, nicht als bmp-Datei (oder einem anderen gängigen Grafikformat) gespeichert werden können, sondern nur in einem Casio-eigenen binären Bitmap-Format (mit Dateiendung g1m). Beim Casio fx-CG 50 ist das besser gelöst – dort kann man über die GTR-Einstellungen festlegen, dass die Display-Screenshots als bmp-Grafikdatei abgelegt werden.
Ein Konvertierungstool für das Casio-Format habe ich nicht finden können, und so habe ich mich selbst an die Arbeit gemacht. Nach Analyse der Binärdateien und einigen Experimenten konnte ich den Aufbau der Datei rekonstruieren und habe ein kleines Python-Skript entwickelt, das die Grafik am PC anzeigt, so dass sie von dort mittels Screenshot z.B. als png-Datei gespeichert werden kann. Die Displaydarstellungen weiter unten sind mit diesem Tool erstellt worden.

Zubehör

Der Casio fx-9860 G III wird mit einer 16-seitigen deutschen „Schnellstartanleitung“ (ein kleines Faltblatt ...) geliefert, einem Rechner-Rechner- und einem Rechner-PC-Kabel. Handbücher im PDF-Format und sonstiges Zubehör gibt es über die Casio-Website zum Download. Das ist wenig, genügt aber.

Bedienkonzept

Der fx-9860 G III verhält sich im Rechenmodus wie ein wissenschaftlicher Taschenrechner. Die Eingabe von Brüchen ist in der gewohnten Weise möglich, das Umschalten zwischen Bruch- und Dezimalbruch­darstellung geschieht direkt mittels Taste [S↔D]. Auch komplexere Terme lassen sich durch das Prinzip von Eingabemasken problemlos eingeben und werden in „natürlicher Darstellung“ angezeigt (siehe Abbildung).

Komfortabel und intuitiv ist ebenfalls die Möglichkeit, mittels Cursor-Tasten zu vorherigen Eingaben zurück zu gehen und diese zu editieren. Geht man weiter als eine Eingabe zurück, ist allerdings Vorsicht geboten, weil alle nachfolgend durchgeführten Rechnungen, deren Ergebnis vom Resultat der zu ändernden Zeile abhängen, automatisch neu berechnet werden. Unerwünschte Seiteneffekte sind das Ergebnis dieses eigenwilligen Verhaltens. Abhilfe schafft hier der Weg über die „Zwischenablage“ mittels [CLIP] und [PASTE], bei dem dieser Effekt nicht auftritt.

Ein wesentlicher Beitrag zum guten Bedienkonzept ist die zentrale [MENU]-Taste, mit der man jederzeit zu einem definierten Ausgangspunkt gelangt und von dort aus in den jeweils gewünschten Bereich navigiert.
Überwiegend gut gelungen ist auch die deutsche Benutzerführung, wobei die Abkürzungen und Menüpunkt weiterhin englischsprachig sind. Hier wäre eine konsequentere Umsetzung wünschenswert. Das ist beim fx-CG 50 zwar etwas besser gelungen, aber auch dieser GTR ist noch nicht konsequent deutschsprachig.

Details

Beispiel 1: Die Abbildung zeigt den Graphen zum Term mit einge­zeichneter Tangente an der Stelle x=-1,5 und schattierter Ordinatenfläche im Intervall [-4,8; 2,5]. Sowohl die Schattierung und Berechnung des Integrals als auch das Einzeichnen der Tangente funktionieren intuitiv über [G-Solv][∫dx] bzw. [Sketch][Tang]. Die benötigten Stellen können entweder mit den Cursor-Tasten durch Abfahren des Graphen ausgewählt oder auch direkt eingegeben werden. Nach Drücken der [EXE]-Taste erscheint das gewünschte Resultat.
Unerfreulich und immer noch nicht verbessert wurde die Darstellung des Funktionsterms am oberen Rand des Displays. Keine Spur mehr von „natürlicher Darstellung“, sondern die alte, hässliche a⌟b-Notation. Dazu noch der unnötig eingeklammerte Exponent und die große Schrift, mit der Folge, dass nicht einmal der gesamte Term ins Anzeigefenster passt. Dieses Relikt aus alten Tagen findet sich nach wie vor auch noch im Casio Top-Modell fx-CG 50.

Beispiel 2: Die Berechnung des Integrals gelingt intuitiv über [MATH][∫dx].
Es öffnet sich eine eindeutige Ein­gabemaske, die zu befüllen ist. Die Betragsfunktion findet man über [MATH][Abs], und nach Drücken von [EXE] und einigen Sekunden Wartezeit erhält man einen ziemlich genauen Näherungswert.
Der Versuch, diesen in einen Bruch umzuwandeln – der exakte Wert des Integrals ist 23 ⅔ –, scheitert allerdings: Die [S↔D]-Taste zeigt keinerlei Wirkung. Offenbar ist der approximierte Wert trotz der mit 23 ⅔ übereinstimmenden Dezimaldarstellung zu ungenau.
Die Voreinstellung für die Fehlertoleranz beträgt laut Handbuch 10-5 und diese lässt sich nicht grundsätzlich ändern. Möglich ist es allerdings, bei einer konkreten Berechnung die Toleranz mit anzugeben – allerdings nicht im MathIO-Modus, der die natürliche Darstellung mitbringt! Das gleiche Dilemma wie beim TI-84 Plus, das auch bei den Nachfolgemodellen bis hin zum Casio fx-CG 50 weiterhin besteht. Der Umstieg auf den unschönen LineIO-Modus ist für den Unterrichtseinsatz aber indiskutabel. Und im übrigen stellt sich selbst bei einer Toleranz von 10-12 das gewünschte Resultat 23 ⅔ nicht ein.

Beispiel 3: Wichtig für den schulischen Einsatz ist der Gleichungslöser. Dieser umfasst neben einem allgemeinen (approximativen) „Solver“, den so ziemlich jeder GTR mitbringt und der in der schulischen Praxis nur selten benötigt wird, je einen speziellen Löser für LGS und einen für Polynomgleichungen.
Beide Gleichungslöser haben eine gute Benutzer­führung und sind intuitiv einsetzbar. Sobald ein LGS aber nicht eindeutig lösbar ist, versagt der LGS-Löser und liefert eine Fehlermeldung, und zwar unabhängig davon, ob es keine oder mehr als eine Lösung gibt (siehe Abbildung).
Leider hat Casio an dieser Stelle gegenüber dem Vorgänger immer noch nicht nachgebessert, obwohl bereits der Gleichungslöser des Casio fx-CG 20 aus dem Jahre 2011 zeigt, dass es besser geht. Vielleicht ist diese praxisrelevante Begrenztheit des fx-9860 G III ja auch gewollt – als zusätzlicher Anreiz, sich dann doch für den großen Bruder Casio fx-CG 50 zu entscheiden.

Beim fx-9860 G III bleibt nur der Weg über Matrizen, der allerdings kein leichter ist.
Im Rechenmodus wird zunächst über [OPTN][MAT][▹][Rref] der Befehl Rref() für den Gauß-Algorithmus aufgerufen, danach über [MATH][MAT][mxn] die passende Größe für eine Matrix-Eingabemaske ausgewählt, diese Maske dann befüllt und die erweiterte Koeffizientenmatrix schließlich mittels [EXE] in normierte Zeilenstufenform (Diagonalform) überführt. Intuitiv geht anders! Erfreulich ist zumindest die Darstellung, denn die ist „natürlich“.